„Wunder beginnen dann, wenn Du Deinen Träumen mehr Kraft gibst als Deinen Ängsten“ hab ich wo gelesen und das hat mir den Impuls gegeben endlich über ein wichtiges Thema zu schreiben: Ängste. Darüber habe ich den letzten Wochen viel nachgedacht. Denn noch nie habe ich um mich herum so viel Angst wahrgenommen wie im letzten Jahr. Mich selbst quälen keine Ängste, ich bin mit einem großen, tiefen Urvertrauen gesegnet. Auch bin ich mit meinen 50 Jahren schon durch viele Krisen gegangen und weiß, dass Ängste immer beides sind: Geschenk und Herausforderung zugleich.
Verurteilung in der Volksschulzeit
Eine meiner tiefsten Ängste war zum Beispiel die, mich zu zeigen, vor Menschen zu sprechen oder einen Vortrag zu halten. Bis vor ein paar Jahren eine absolute Horrorvorstellung für mich! Und das nicht, weil ich es nicht kann, sondern weil ich aus meiner Volksschulzeit ein tief sitzendes Trauma mitgebracht habe. Von einem Volksschuldirektor, der mich schüchternes Mädel vor der ganzen Klasse ächtete, weil ich eine Karikatur des Religionslehrers gezeichnet hatte und dabei erwischt wurde. „Für die Ines hätte ich meine Hand ins Feuer gehalten, aber jetzt…“ Alle Blicke waren auf mich gerichtet, ich schluchzte und schämte mich, und er hörte trotzdem nicht auf. Für mich war das wie eine öffentliche Hinrichtung, noch dazu mochte ich ihn wirklich gerne und hatte alles getan, um eine gute, liebe und brave Schülerin zu sein. Ich glaube, dass daher meiner Angst ruht, verurteilt zu werden, wenn ich vor einer Gruppe stehe. Dazu passten meine Glaubenssätze, nicht gemocht zu werden, wenn ich nicht „lieb“ bin und jener, nicht gut genug zu sein natürlich sehr gut.
Angst als Wachstumsaufforderung
Kommt Dir das bekannt vor? Fürchtest Du Dich vor, Dich zu blamieren, zu scheitern, Menschen zu nah an Dich heran zu lassen oder Deine wahren Gefühle zu zeigen? Dann stell Dir mal eine Frage: Was wäre, wenn Angst eine Bestätigung dafür ist, dass Du auf dem richtigen Weg bist? Du wächst! Das Leben schickt Dir nämlich immer wieder herausfordernde Situationen vorbei, damit Du üben, lernen und gestärkt daraus hervorgehen kannst. Viele Ängste sind für Deinen Weg und Deine Entwicklung wichtig. Es ist garantiert kein Zufall, dass ich mittlerweile Workshops halte, TV-Interviews geben „musste“ und regelmäßig vor Gruppen spreche. Es führte kein Weg dran vorbei, mein Wissen anderen weiterzugeben ist ja das, was mich so glücklich macht. Also hab ich es einfach gewagt und es wurde mit jedem Mal leichter und selbstverständlicher. Denn eines ist sicher: Je länger du eine gefürchtete Situation vermeidest, desto größer wird die Angst davor. Besser also ein bisschen mutig sein und auch mal die Komfortzone verlassen. Das kann Dich ein gutes Stück weiterbringen.
Meine schrägste Angst
Ich hab übrigens noch eine wirklich eigenartige, relativ neue Angst und hab tatsächlich keine Ahnung, woher die kommt. Ich halte das Gefühl, an Eis kleben zu bleiben, nicht aus. Einen metallenen Eiswürfelbehälter frisch aus dem Tiefkühler anzugreifen ist der blanke Horror für mich. Auch an kaltem Wassereis schlecke ich NIE. Und ich hab absolut keine Ambitionen, das so lange zu üben, bis ich es aushalte. Da hoffe ich einfach, dass diese Angst irgendwie von selbst wieder dahinschmilzt.
Üben, üben, üben
Meine panische Angst vor dem Zahnarzt zu verlieren war auch nicht gerade meine freie Entscheidung, aber mein weiser Körper hat das für mich geschickt eingefädelt. Nach einem wirklich traumatischen Erlebnis (keine Details, ich höre mir auch nie wieder Horrorstories von anderen an – wichtige Strategie!) hatte ich so eine Panik, dass ich vor der nächsten Behandlung im Wartezimmer kollabiert bin. Diese Angst hat mir mein jetziger Traum-Zahnarzt Gott sei Dank genommen. Angenehm finde ich das Gebohre immer noch nicht, aber von Panik bin ich weit entfernt. Ich hab diese Angst also überwunden, indem ich eine besserer Erfahrung gemacht habe.
Singen am Zahnarztstuhl
Ein Tipp für Deinen nächsten Zahnarzt-Termin: Nutze ihn zum Üben! Schreib zuerst all Deine Gefühle und Ängste auf und formuliere sie dann ins Positive um. Ist es nicht gut, dass es schmerzfreie Zahnbehandlungen gibt? Dass es jemanden gibt, der Dich dabei unterstützt, Deine Beißerchen gesund zu erhalten? Und ist das Gefühl der Erleichterung nach dem Termin nicht absolut berauschend? Und was sind schon die paar unangenehmen, aber schmerzfreien Minuten am Zahnarztstuhl im Vergleich zu stundenlangen Qualen, wenn Du was verschleppst? Du musst Zahnbehandlungen nicht lieben, aber Du musst sie auch nicht hassen und mit Ängsten beladen. Was ich außerdem mache: Ich singe im Geiste das „Gayatri-Mantra“ in Endlosschleife, während ich behandelt werde. Während Du singst, kannst Du nämlich keine Angst haben. Funktioniert auch beim Still-Singen ganz gut.
Deine oder nicht, das ist hier die Frage
Weiterer wichtiger Punkt: Sind Deine Ängste wirklich Deine? Meine Angst vor Hunden war es zum Beispiel nicht. Meine Eltern mochten einfach keine Hunde, wir waren immer „Katzenmenschen“ und dann hatte ich auch noch einen guten Freund im Gymnasium, der von einem großen Hund arg gebissen wurde. Auch meine jüngere Tochter wurde als Kleinkind beinah von einem Hund ins Gesicht gebissen. Aber wohlgemerkt: Mir ist nie etwas passiert! Auch meinen Kindern nicht. Dann nahm vor drei Jahren alles eine interessante Wendung, als meine ältere Tochter begann, Hunde zu zeichnen. Und ich verliebte mich nicht nur in ihre Bilder, sondern irgendwie auch in diese Hundeseelen. Auf einmal fand ich fast jeden Hund süß und bin jetzt im Wald völlig entspannt, wenn ein frei laufender Wuffer daherkommt. Weil die Hundeangst nie meine war, denn ich liebe alle Tiere. Naja, Spinnen nicht so. Aber auch die jagen mir mittlerweile keinen Schrecken mehr ein.
„Keine Bewegung! Hände an die Wand!“
Interessant ist, dass ich vor dramatischen Situationen, die ich tatsächlich erlebt habe, keine Angst mehr habe. Etwa vor Todesfällen und schweren Erkrankungen im Familien- und Freundeskreis oder auch vor Überfällen oder einem Autounfall. Been there, done that. Auch meine Angst in dunklen Parks oder nächtens im Wald ist weitgehend Geschichte. Und das obwohl ich einmal nachts an einem Flussufer mit Pfefferspray attackiert wurde und auch auf meinen vielen Reisen gefährliche Situationen erlebt habe. Und die Redaktion, in der ich arbeitete, war eines Morgens von zehn maskierten und schwer bewaffneten WEGA-Polizisten gestürmt worden. Sie brachen die Tür auf, stürmten herein und brüllten uns an. Es war ein Riesenschock. Sie hatten einen Schwerverbrecher an dieser Adresse vermutet. Und ich hatte tatsächlich kurz Todesangst, es war zur Zeit der vielen IS-Terroranschläge. Das Gute daran: Ich habe gelernt, dass ich Schlimmes überleben kann und man in wirklich argen Situationen oft instinktiv richtig reagiert. Angst dient uns ja auch zum Überleben.
Meine Tipps zum Umgang mit Angst
- Hinterfrage, wem Deine Angst gehört bzw. wo sie herkommt
- Betrachte Deine Ängste als Wachstumsaufforderung
- Akzeptiere Deine Ängste – es ist OK und sinnvoll, sie zu haben
- Konzentriere Dich auf Deine Stärken
- Sag STOPP, wenn Dir andere Horrorgeschichten erzählen
- Sei achtsam im Umgang mit Medien und Filmen, die Deine Ängste schüren
- Arbeite mit positiven Glaubenssätzen à la „Alles ist gut“, „Ich schaffe das“, „Ich bin beschützt“, „Ich komme da gut durch“
- Gib Dich schönen Träumen und Visionen hin – die sind stärker als jede Angst
Last but not least: Frag Dich mal, warum Du eine bestimmte Angst brauchst und warum Du sie vielleicht gar nicht loswerden willst. Ängste können eine wunderbare Ausrede sein und natürlich dienen sie auch als Schutzschild. Sie sind gleichzeitig Wachstumsverhinderer wie -beschleuniger. Je nachdem, ob Du sie überwindest oder nicht.
Epilog mit einem Ausflug ins AKH
An selben Tag, als ich diesen Text geschrieben habe, durfte ich gemeinsam mit meiner 14jährigen Tochter noch üben – was für eine Synchronizität! Ich musste mit ihr in die Unfallambulanz, offener Bruch am Finger, Unfall beim Feldhockey. Sie hatte panische Angst vor dem Genäht-Werden (es war ihr erstes Mal) und kann kein Blut sehen. Wir hatten da gemeinsam ordentlich was zu bewältigen. Danach, es war schon fast Mitternacht, fand ich mein Auto in der gespenstisch leeren Tiefgarage erst nach einigem Suchen wieder und wurde dadurch auch noch mit einer meiner Ängste konfrontiert (hab wohl auch zu oft „Tatort“ gesehen…). Danke, liebes Leben, das war die harte Tour! Aber es ging alles gut und eines ist fix: Das nächste Mal können wir beide schon besser damit umgehen. Oder das Leben lässt uns damit jetzt ein für alle Mal in Ruhe 😉
Und noch ein Video-Tipp: „The Work“-Gründerin Byron Katie schafft es darin, mit den richtigen Fragen die panische Trump-Angst einer Frau (das Video ist aus dem Jahr 2017) zu transformieren. Es zeigt so schön, dass Angst meist nichts anderes ist als eine persönliche Überzeugung und Bewertung ohne reale Grundlage: „I’m afraid of Trump“ Absolut sehenswert!